Au … Aufschrei 14

Sprachreisen der besonderen Art!

Unterwegs mit der Navi-Tante:

Jede Fahrt mit dem Auto ist für Neschle eine Sprachreise. Manche Leute geben für so etwas ein Heidengeld aus. Neschle hört Radio bei jeder Autofahrt, nur unterbrochen von Telefonaten oder Anweisungen seiner „Navi-Tante“. Diese Anweisungen kommen nicht selten einen Moment zu spät, so dass Neschle sich schon auf die Geradeausfahrt konzentriert hat und dann doch rechts ab muss. Ja, ja er ist der, der sich immer im letzten Moment mitten in die Abbiegeschlange einfädelt. Damit macht er sich beliebt bei anderen Verkehrteilnehmern.

Schuld daran ist nur seine Navi-Tante. Früher hieß die „Else“, weil sie gekoppelt war mit einer Spracherkennung für das Autotelefon. Sie rief eine Nummer an, wenn Neschle nur den Namen des Anzurufenden aussprach. „Else“ stand für „Elektronische Sprach-Erkennung“ fand Neschle. Aber Else verstand nicht immer alles beim ersten Mal oder sie verstand es falsch und hätte einfach jemanden anderen angerufen, hätte Neschle Else nicht bei ihrer falschen Wiederholung seiner Anrufanweisung jäh gestoppt. Else war dieselbe Frau, die auch die Navi-Anweisungen sprach und sie brachte dabei auch mal das Command-System zum Absturz.

Als Neschle sein Stern-Auto fabrikneu in Sindelfingen abholte, sagte ihm ihre Stimme aber nicht: „Sie befinden sich dort, wo Sterne geboren werden!“, sondern sie erklärte ihm, er befinde sich im nicht „digitalisierten Gebiet“ unterstützt von der optischen Anzeige „off road“.

Das hieß für Neschle „von den Socken“. Denn offenbar muss jeder Deutsche „off road“ zwangsweise verstehen. Aber Neschle war auch deshalb von den Socken, weil die „Geburtsklinik der Sternautos“ vom Hersteller selbst zum „Niemandsland“ erklärt wurde. Da ist „off road“ eben „neben der Kapp“. Wie kann man als Sternbetrieb eine solche Chance zur Eigenwerbung auslassen!

Neschle schlug deshalb bei der Übergabe vor, im Display, also dem Showroom der Navi-Tante, solle künftig an dieser Stelle statt „off road“ erscheinen: „Geburtsklinik Sindelfingen: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Sterneauto!“. Denn dort werden alle neuen Autos an den Kunden übergeben. Und da tun sie nur das. Der glückliche Käufer hätte dann nicht lesen müssen, dass er mit der Wahl seines Autos vom rechten Wege abgekommen, also „off road“ sei. Drei Jahre später beim nächsten Auto war er aber immer noch „off road“! Heute fährt Neschle ein anderes Fabrikat.

Hier hilft ihm „Lotte“ bei der Orientierung. Doch Lotte hat noch mehr „Sprachfehler“ als Else. Else sagte immer „Bitte rechts abbiegen!“, in Lottes verlotterter Sprache heißt es dagegen „Bitte nach rechts abbiegen!“. Else sagte „Bitte der Straße zwölf Kilometer folgen!“, Lotte schwatzt: „Bitte der Straße für zwölf Kilometer folgen!“ oder sogar „Bitte folgen Sie der Straße für acht Kilometer!“.

Nun hat die Navi-Beraterin an Neschles Seite eigentlich nur die Aufgabe, ihm funktionale Informationen zu geben und das zu gegebener Zeit ganz präzise! Also fragt Neschle, warum dieses „Bitte!“. Das ist nicht die Zeit zum Austausch von Höflichkeiten, die Else und Lotte von Neschles Seite nicht einmal als Anmache verstehen könnten. Er kennt die Frau doch gar nicht und er kann gar an sie ran. Will er auch nicht, weil ihr behördlicher Tonfall ihm fast die Freude an allen Frauen vermiest.

„Rechts abbiegen!“ würde da völlig reichen, sogar „Rechts ab!“ Lotte aber will alles besser machen und fügt zusätzliche Worte hinzu. Nicht nur „nach“ und „für“, sondern alles dreifach abgesichert: „Bitte die Autobahn (1) an der nächsten Ausfahrt (2) Nummer Fünf (3) in neunhundert Metern verlassen!“

Das passt in das Vorurteil, Frauen würden gern reden! Doch als Neschles frühere Verlobte ihm noch beifuhr, sagte sie schlicht: „Hier musst Du ab!“ Sie leitete ihren Satz nicht mit „Bitte“ ein, sondern mit „Ich glaube“. Also: „Ich glaube, hier musst Du ab!“ Das war keine präzise Ansage, aber sie war kurz und eindeutig. Wer bringt unseren Naviga-Toren aber heute bei, dass wir kurze, präzise Ansagen hören wollen und keine Epen. Da ist jedes Wort überflüssig, das nicht zielführend ist.

In der Präzision ist Lotte freilich besser als Neschles frühere Verlobte, aber sie dürfte sich kürzer fassen. Schließlich unterbricht sie immerhin das Radioprogramm. Doch da hört Neschle auch nur Sprachgedödel.

In der Werbung wird ihm etwa seit längerer Zeit eine „Blumen-Gruup“ angepriesen, die in der Arena Oberhausen wegen der großen Nachfrage gleich drei Auftritte täglich haben soll. Jetzt hat sich Neschle vorgestellt, hier würde die Flower-Power-Bewegung fröhliche Auferstehung feiern. „Blumen-Gruup“ mit Frauen und Männern und freier Liebe direkt auf der Bühne. So eine Art Hippie-Show für alle, die nicht in Woodstock dabei gewesen sind.

Erst als Neschle noch einmal nachdachte, war klar, dass hier mal wieder einer denglischte und seine Wörter dabei deutsch intonierte. Der Sprecher meinte jene blauen Typen, die Abkömmlinge von Schlümpfen sein müssen, denen Vater Abraham die Zipfelmütze amputiert hat: die „Blue Men Group“.

Hier hat Neschle Verständnis für den englischen Ausdruck, freilich nicht in der deutschen Aussprache „Blumen“. Würde man nämlich „Blaue Männer Gruppe“ sagen, dächte man an einen Kegelklub auf Herbstausflug. Der erwartet uns bald wieder mit seiner Show auf Bahnsteigen und Flughäfen. Alle gleich angezogen, alle mit dem T-Shirt: „Diesen wundervollen Bauch schuf der Alkohol“.

Das geht nur bei dicken Männerbäuchen. Bei Frauen drängte sich gleich der Verdacht auf, hier sei es zu einem „Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss“ gekommen, aber keinem, bei dem die Stimme der Navigatorin noch eine Rolle spielte. Damit schließt sich auch nicht der Kreis, aber es reicht jetzt.

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