Leon Neschle 80 (21. Woche 2013)

Hooligans des Glaubens

Dieser Beitrag war geschrieben, als Le Butt unfreiwillig die Idee zum Aufschrei 69 lieferte. Man hätte diesen Beitrag auch gut um Polit-Hooligans ausweiten können.

Hooligans? Sind die das männliche Pendant zur hohlen Gans? (Neschle)

Es gibt am Fußball Uninteressierte und mäßig Interessierte; beim Fußball findet man Zuschauer bis hin zu echten Fans; im Fußball Gläubige und Tiefgläubige. Und es gibt die Hooligans, die mit Fußball eigentlich nichts an der Kutte haben, aber trotzdem so tun und dessen Nähe suchen, allein um ihrer Gewaltbereitschaft Ziel und Richtung zu geben. Sie verzichten dafür sogar auf den Fußball, wenn sie schon vor dem Spiel von der Polizei weggesperrt wurden. Und das ist nicht gerade selten.

Ähnlich ist das bei den Weltreligionen Christentum, Islam und Judentum, ja sogar beim ach so friedlichen Buddhismus[1]. Die gewaltbereiten Fundamentalisten aller Religionen sind deren Ultras und Hooligans, die sich für ihre Religion in derselben Weise interessieren wie die Hooligans für den Fußball, nämlich vor allem als geistige Bezugsgröße für die Randale, die sie darum machen, und den Krieg, der sich darum führen lässt. Es gibt sie also, die Hooligans der Religionen mit erstaunlichen Parallelen zur Welt des Fußballs, auch wenn es den oft angerufenen Fußballgott nicht gibt.

Doch ebenso wenig wie der Fan des 1. FC Köln etwas mit seinen gewalttätigen Hooligans zu tun hat, ist jeder Kirchgänger ein Fundi-Christ, jeder Besucher einer Synagoge ein Ultra-Orthodoxer Jude, jeder gläubige Moslem ein Islamist oder jeder Buddhist ein radikaler Moslemjäger. Das wäre etwa so, als würde man aus jedem Besucher eines Fußballspiels einen Hooligan machen.

A. Hooligans als „zentrale Randfiguren“

Obwohl sie eigentlich nur Randfiguren und Randerscheinungen sind, stehen die Hooligans häufig im Zentrum öffentlicher Diskussionen, beim Fußball und bei der Religion. „Zentrale Randfiguren“ ist für Hooligans daher ein Oxymoron mit besonderem Pfiff, denn dieser Selbstwiderspruch sagt alles über deren Natur.

Mit gewaltexzessiven Extremisten will bei den Religionen kaum ein Gläubiger etwas zu tun haben, ähnlich wie beim Fußball die Fans, erst recht aber kein Zuschauer oder Uninteressierter, mit den Hooligans. Man distanziert sich von solchen Extremisten und von Hooligans, obwohl man oder sogar weil man für denselben Verein schwärmt: „Das sind keine echten Fans, keine wahren Gläubigen“, heißt es. Die hätten den Sinn des Fußballspiels oder der Religion nicht verstanden. Wenn es sich dabei um Mönche wie im Fall von Birma handelt (Fn. 1), die ihren Glauben zu ihrem einzigen Lebensinhalt gemacht haben, wird es allerdings schwer, das zu verstehen.

Bei den Hooligans steht längst nicht mehr das Fußballspiel, bei den Extremisten nicht die Religion im Mittelpunkt, sondern die Randale und der Krieg, vor allem mit den Ultras anderer Vereine oder Religionen. Sie entwickeln extremen Hass gegen ein Zerrbild anderer Religionen oder Vereine, für das wiederum vor allem deren Hooligans Modell gestanden haben. Sie fürchten sich dabei – der Zweck heiligt die Mittel! – nicht vor Verfälschungen oder erfundenen Geschichten und sind zu Gewalt und Körperverletzung bereit. Dabei geht es am Ende nicht mehr um Fußball oder Religion, geschweige denn darum, die anderen Hooligans vom eigenen Verein oder vom eigenen religiösen Bekenntnis zu überzeugen. Es geht allein noch darum, andere Hooligans von anderen Vereinen oder Religionen zu schmähen (Aufschrei 69) und körperlich niederzumachen, im „höheren Auftrag“ der eigenen „Philosophie“, des „besseren Vereins“. Kollateralschäden an Unschuldigen, der Polizei und der Ordnungskräfte, aber sogar an denen Fans des eigenen Vereins, werden dafür in Kauf genommen.

Über ihren eigenen Verein versuchen die Hooligans, Kontrolle zu gewinnen, indem sie die anderen Anhänger und Fans unter Druck setzen. Dieses Bemühen ist bei den Hooligans der Religionen allerdings auffälliger als bei denen des Fußballs. In dieser Hinsicht sind die Taliban sogar von den christlichen Fundamentalisten in den USA nicht zu „übertreffen“ oder gar von ultra-orthodoxen Juden in Israel, obwohl auch die merkwürdige Dinge tun und fordern, z.B.: „Geschlechtertrennung auf der Straße, Auftrittsverbot für Sängerinnen, Werbeplakate ohne Frauen: Jerusalems ultraorthodoxe Juden bestimmen mit ihrem extremen Weltbild das öffentliche Leben“.[2] Auch sie werden damit zu „zentralen Randfiguren“. Dabei treiben es einige Frauen sogar so weit, dass sie, wegen ihrer Verschleierung bis auf die Augen, sogar von strenggläubigen Juden als „Taliban-Muttis“ bezeichnet wurden,

Diese Hooligans bringen die fanatische und zugleich zerstörerische Liebe zu ihrem Verein oder ihrer Religion meist aus ihrem Elternhaus mit. Obwohl sie sich als ultra-extreme Fans geben, schaden sie letztlich ihrem Verein und der gesamten Sache des Fußballs bzw. ihrer Religionsgemeinschaft und der Sache der Religion (Vgl. auch die Wirkung des Polit-Hooligans Le Butt auf die SPD). Dabei behaupten sie, diejenigen zu sein, die das eigentliche Verständnis für ihren Verein haben. Die Religiösen nehmen sogar für sich in Anspruch, den Willen Gottes zu kennen und ihn gegenüber dem Rest der Menschheit zu vertreten, verteidigen und gegenüber allen Ungläubigen durchsetzen zu müssen. Doch wer behauptet, den Willen Gottes zu kennen, stellt sich über ihn. Ob denen das bewusst ist?

Dennoch haben viele Fans für Hooligans ihres eigenen Vereins mehr Verständnis als für die anderer Vereine. Genau hier liegt eine gefährliche Quelle für klammheimliche Sympathisanten, mit denen die Hooligans in das Feld der Fans und Anhänger hineinwirken.

Das ist die Falle, in die beispielsweise der Moslem tappt, wenn er nur einen Hauch des Verständnisses für seine Ultras und Hooligans entwickelt, die gewaltbereiten und gewalttätigen Islamisten, etwa deren Taten beim Angriff auf das World Trade Center. Oder für diejenigen, die gerade am hellen Tag unter dem Ruf „Gott ist groß!“ mitten in London einen britischen Soldaten mit Fleischermessern und einer Machete zerhackt haben.[3] – Genau das Gegenteil wäre richtig: Die eigenen(!!!) Hooligans muss man immer härter angehen als die anderer Vereine. Denn es ist allein deren schlechter Ruf, der auf einen selbst zurückfällt, nicht der anderer Hooligans.

Auch wenn es scheinbar nicht in den Ernst dieser Sache passt, es ist doch dasselbe Gedankenmuster: Neschle spricht gerade deshalb andere Hundebesitzer darauf an, wenn sie Hundekot liegen lassen. Er hat nämlich als Hundebesitzer überhaupt kein Verständnis für die Verkotung der Landschaft und äußert das auch klar. Als ein solcher gerät Neschle nämlich selbst beim nächsten Mal in Verdacht und muss sich schief ansehen lassen für etwas, was er weder verantwortet noch gutheißt oder gar lebt.

Man muss eben erst und stärker bei Seinesgleichen kehren, vor der eigenen Türe, bei den eigenen Hooligans. Doch das beachten schon Fußballfans nicht und leider weder Christen oder Juden oder Moslems noch Buddhisten bei ihren Glaubensgenossen. Sie machen fast alle eher gemeinsame geistige Sache mit ihren eigenen Hooligans als mit denen der anderen Vereine.

B. Die „Gläubigenhierarchie“

Es gibt Uninteressierte, ohne dass die notwendig überzeugte Atheisten wären. Sie stehen den Institutionen oder Symbolen der Religionen gleichgültig und teilnahmslos gegenüber. Sie lesen nicht einmal Zeitungsartikel über die Papstwahl oder die jüngsten Äußerungen eines Islamgelehrten. In religiös motivierte Auseinandersetzungen oder Glaubenskriege könnten sie daher nur hineingeraten wie Passanten, denen am Bahnhof die Bierflasche eines Fußball-Hooligans an den Kopf fliegt.

Mäßig Interessierte lesen zumindest wichtige Botschaften von Islamgelehrten flüchtig durch oder auch schon mal Artikel über die Papstwahl oder die Mormonen in Utah. Vom Missbrauchsproblem in christlichen Kirchen, von Gewalt gegen Frauen oder Scharia-Verstümmelungen für Verbrechen in muslimischen Staaten fühlen sie sich in ihrem sehr eingeschränkten Interesse für alles Religiöse nur bestätigt.

Die (gelegentlichen) Zuschauer besuchen schon ab und zu eine Kirche, Synagoge, Moschee oder einen Tempel und nehmen an Gottesdiensten oder religiösen Übungen teil, insbesondere an hohen Feiertagen. Man kann jedoch kaum sagen, dass die Religion ihren Lebensmittelpunkt oder die Grundlage ihrer Lebensführung bildet. Die „angeborene“ Religion und ihre Botschaft werden recht oberflächlich mitgenommen, deren Auswüchse zuweilen sogar hingenommen.

Die Anhänger besuchen regelmäßig die Gottesdienste (Heimspiele) und geben sich auf Nachfrage passiv, aber bereitwillig als solche zu erkennen. Das unterscheidet sie von den Fans, die ihren Glauben mit Fahne, Trikot, Schal oder dezenter nur mit Autoaufkleber oder der Vereinsnadel gerne mal aktiv nach außen tragen und dabei die Gefahr eingehen, die Fans anderer Religionsgemeinschaften (Vereine) zu provozieren. Doch immerhin tun sie es nur, weil sie ihr Herz auf der Zunge tragen. Von hier aus ist es aber immer noch ein großer und entscheidender Schritt zur Gewalt mit der direkten Absicht, andere zu schädigen.

Die Ultras und die Hooligans des Fußballs und die Extremisten ihrer Religionen sind den Fans nah und doch sehr fern. Nah in ihrer radikalen Ausrichtung, sehr fern, weil es den Hooligans im Unterschied zu den Fans darum geht, die gezielte Auseinandersetzung mit Hooligans anderer Vereine zu suchen:

Doch: 99% der Fußballanhänger sind keine Hooligans, 99% der Christen und Muslime sind keine Kreuzritter oder Islamisten. 95% sympathisieren auch nicht mit ihnen. Aber die restlichen 5% bestimmen den öffentlichen Eindruck ihres Vereins oder ihres religiösen Bekenntnisses, beim Fußball wie bei der Religion. So werden die Extremisten eben zu den „zentralen Randfiguren“, zu denen Presse und Öffentliche Meinung sie machen. So wertet vor allem die Presse das wertlose und wertfreie Treiben dieser Hooligans auf und bestimmt damit den Gesamteindruck. Das aber lässt die Gruppen in dieser Gesellschaft immer weiter auseinanderdriften.

Hooligans des Glaubens

Beim Fußball sind sie Randerscheinung,

nicht dessen Stolz, sondern Verneinung.

Denn kennst Du Fußball-Hooligans,

verstehst Du lange nicht die Fans,

Es zeigt uns auch kein Islamist,

wie der Islam nun wirklich ist.

Dasselbe gilt beim Fundi-Christ,

statt Religion sucht er nur Zwist.

Orthodox an Klagemauer,

Buddhas Mönche auf der Lauer,

Andersdenkende zu jagen,

das ist kaum mehr zu ertragen.

Es prägt fast nur der Extremist,

den Glauben, wie er heute „ist“*.

Weil Du davon zu jeder Frist,

von Medien „verdunkelt“** bist.

*„Scheint“ reimt sich eben nicht!

** „Erleuchtet“ doch ganz bestimmt nicht!


[1] Vgl. http://www.t-online.de/nachrichten/ausland/krisen/id_63326948/birmas-moenche-schockieren-mit-gewalt-gegen-muslime.html.

[2] Vgl. Ulrike Putz, Radikale Juden in Jerusalem: Religiöse Ultras kämpfen um die Heilige Stadt. In: Spiegel online vom 31.10. 2011. URL: http://www.spiegel.de/fotostrecke/ultra-orthodoxe-juden-wer-falsch-sitzt-fliegt-raus-fotostrecke-74372.html. Dort auch das Folgende.

[3] Vgl. http://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_63511786/verbrechen-in-london-wird-als-akt-islamistischen-terrors-behandelt.html.

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